Der „12-Stunden-Tag” ist in aller Munde und die Landarbeiterkammer Tirol klärt auf, was es damit in der Land- und Forstwirtschaft wirklich auf sich hat, was sich im Arbeitszeitrecht ändert und vor allem was sich nicht ändert.
Wie schon in der letzten Ausgabe berichtet ist für Arbeiter und Angestellte in der Land- und Forstwirtschaft das Arbeitszeitrecht nicht im Arbeitszeitgesetz (AZG) geregelt, sondern im Landarbeitsgesetz (LAG). Seit Jahren liegen Pläne für notwendige Anpassungen und Reformen in der Schublade, aber die Umsetzung wurde immer wieder blockiert. Seit 2017 hat die Landarbeiterkammer mit der Landwirtschaftskammer Österreich (LKÖ) und den Gewerkschaften intensiv an einer Einigung zwischen allen beteiligten Sozialpartnern gearbeitet. Im späten Frühjahr 2018 konnte eine Einigung in allen wesentlichen Punkten erzielt werden.
Nunmehr ist eine Gesetzesnovelle zum LAG in Begutachtung gegangen, welche von der Landarbeiterkammer unterstützt wird. 98% davon entspricht dem, worüber im Mai zwischen allen Sozialpartnern Einigkeit herrschte. Die geringen Abweichungen im Bereich der Arbeitszeit entsprechen einem Kompromiss zwischen Landarbeiterkammer und LKÖ, der die wechselseitigen Interessen aus unserer Sicht angemessen berücksichtigt.
Im Folgenden beantworten wir die wichtigsten Fragen zum Arbeitszeitrecht NEU:
Müssen ArbeitnehmerInnen in der Land- und Forstwirtschaft in Zukunft länger arbeiten?
Das kann ganz klar mit „Nein” beantwortet werden. Es war ein zentrales Anliegen (nur) der Landarbeiterkammer, die Arbeitszeithöchstgrenzen in der Land- und Forstwirtschaft endlich klar festzulegen. Künftig sind grundsätzlich 11 Stunden Tagesarbeitszeit erlaubt, in Arbeitsspitzen sind auch 12 Stunden möglich. Bisher waren in der Landwirtschaft in bestimmten Konstellationen bis zu 14 Stunden Tagesarbeitszeit zulässig.
Können Überstunden künftig einfacher angeordnet werden?
Wiederum ein deutliches „Nein”. Es ist sogar das Gegenteil der Fall. Im Landarbeitsrecht wird erst mit dieser Novelle die Interessenabwägung bei der Überstundenleistung ausdrücklich im Gesetz verankert.
Werden in Zukunft weniger Überstundenzuschläge bezahlt?
Nein, auch davon kann nicht die Rede sein. Das Landarbeitsrecht sieht nach wie vor – im Gegensatz zum allgemeinen Arbeitsrecht – bereits auf gesetzlicher Ebene zwingende Überstundenzuschläge vor. Dadurch sind auch ArbeitnehmerInnen in kollektivvertragsfreien Räumen geschützt. Nur im Bereich der Gleitzeit sind hier neue erweiterte Rahmen möglich, die aber auf betrieblicher Ebene oder im Arbeitsvertrag zwingend zu vereinbaren sind.
Muss künftig auch am Wochenende gearbeitet werden?
Hier werden Klarstellungen getroffen, die auch wesentlich im Interesse von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern liegen. Per Gesetz ist künftig insbesondere die Arbeit im Rahmen einer Almausschank auch an Sonntagen erlaubt. Hinsichtlich der Bezahlung von Wochenendarbeit wurde ebenfalls endlich eine klare und transparente Regelung getroffen: Grundsätzlich besteht – im Gegensatz zum gewerblichen Arbeitsrecht – immer ein 100%er Zuschlag. Von dem können Kollektivverträge ausschließlich für die vereinbarte Normalarbeitszeit (nicht aber für Überstundenarbeit!) abgehen. Also ist in Zukunft für zuschlagfreie Sonntagsarbeit die Zustimmung der Landarbeiterkammer und des Land- und Forstarbeiterbundes auf kollektivvertraglicher Ebene zwingend erforderlich.
Können Landarbeiter künftig das ganze Jahr über 12 Stunden täglich 60 Stunden wöchentlich beschäftigt werden?
Keineswegs. In der Landwirtschaft beträgt die wöchentliche Höchstarbeitszeit wie bisher 52 Stunden und kann nur während der Arbeitsspitzen auf 60 Stunden ausgedehnt werden. In einem Zeitraum von vier Monaten dürfen durchschnittlich 48 Wochenarbeitsstunden nicht überschritten werden. Neu ist lediglich, dass diese Arbeitsspitzenregelung nicht nur für die Landwirtschaft, sondern auch für die Forstwirtschaft gilt. Als Arbeitsspitze ist nur ein erhöhter Arbeitsbedarf aufgrund besonderer Umstände anzusehen!
Ich habe gehört, dass die Sonderzahlungen nicht mehr gesichert sein sollen...
Ein völlig unwahres Gerücht. Das Landarbeitsgesetz bleibt weiterhin der einzige arbeitsrechtliche Regelungsbereich, welcher Sonderzahlungen für alle ArbeitnehmerInnen gesetzlich – also auch außerhalb kollektivvertraglicher Regelungen –garantiert. Neu ist bloß, dass ausschließlich für kurzfristige Dienstverhältnisse bis zu drei Monaten, die für den Ernteeinsatz eingegangen werden, Kollektivverträge diese Sonderzahlungen pauschalieren können. Dafür ist wiederum die Zustimmung vom Land- und Forstarbeiterbund oder Landarbeiterkammer erforderlich.
Ist künftig wirklich auch die dritte Führungsebene aus dem Arbeitszeitrecht ausgenommen?
Nein! Die Landarbeiterkammer hat gegen die Widerstände aller anderen Interessenverbände vehement dafür gekämpft, dass – wiederum im Gegensatz zum allgemeinen Arbeitsrecht – keine Arbeitnehmerin und keinen Arbeitnehmer aus dem Schutzbereich der arbeitszeitrechtlichen Regelungen ausgenommen wird. Auch die gesetzlichen Sonntags- und Überstundenzuschläge gelten nur nach Landarbeitsrecht für alle Dienstnehmer. Erleichterungen bei den Aufzeichnungspflichten und sachlich angemessene Anpassungen bei den Höchstgrenzen der Arbeitszeit bestehen ausschließlich bei Arbeitnehmergruppen in höheren Verwendungen (z.B. Geschäftsführer), die im allgemeinen Arbeitsrecht nach dem AZG zur Gänze vom Arbeitnehmerschutz ausgenommen sind!